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Statement des Bundesministeriums für Bildung und Forschung anlässlich der digita-Preisverleihung 2001

  Ministerialdirektor Dr. Knut Bauer, Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Sehr geehrte Damen und Herren,
zunächst möchte ich Ihnen die Grüße von Frau Bundesministerin Bulmahn überbringen. Sie hat gestern hier in Hannover die Bildungsmesse eröffnet und bedauert es sehr, nicht persönlich an der heutigen Preisverleihung teilnehmen zu können. Die Regierungshauptstadt ruft! Andere Verpflichtungen haben ihr daher keine zwei aufeinanderfolgenden Tage in ihrer Heimatstadt gegönnt.


 
Ich freue mich besonders, als der zuständige Abteilungsleiter für die Informations- und Kommunikationsaktivitäten des Bildungs- und Forschungsministeriums auf diese Weise nicht nur Frau Bundesministerin Bulmahn hier vertreten zu dürfen, sondern auch die wichtige Bildungsmesse in Hannover besuchen und die ausgestellten Produkte real erleben zu können. Und schließlich ist es mir ein besonderes Anliegen, den Trägern und Teilnehmern des digita -Wettbewerbs meine Aufwartung zu machen und an der Preisverleihung teilnehmen zu können. Vorab möchte ich den Preisträgern schon einmal meine Glückwünsche überbringen und der Jury für ihre nicht gerade leichte Arbeit danken.
Der digita -Wettbewerb hat sich zu dem wichtigsten Qualitätssiegel im Bereich der Bildungssoftware entwickelt, einer Funktion, die in der verwirrenden Vielfalt des Angebots unverzichtbar ist. Das BMBF schätzt diese Initiative sehr und baut auch in Zukunft auf das Engagement der digita -Träger. Nicht zuletzt aus diesem Grunde hat Frau Bundesministerin Bulmahn gerne die Schirmherrschaft für den digita 2001 übernommen.

 
 
Meine Damen und Herren, seit vielen Jahren entnehmen Sie Medien, politischen Papieren oder auch Festreden Schlagworte wie die der Informations- oder der Wissensgesellschaft. Je nach Interessenlage wird eine "schöne neue Welt" gezeichnet oder ein Bedrohungsszenario für die zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Diskussion blieb in der Vergangenheit oft abstrakt.
Seit etwa zwei Jahren ist dies anders in Deutschland. Bisherige Tabuthemen, wie die alternde Gesellschaft, der Bevölkerungsrückgang, der Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften oder der Bildungs- und Ausbildungsmangel auf der einen Seite, die beschleunigte Globalisierung von Wirtschaft und Politik, die Ausweitung von Internet und Telekommunikation sowie die Explosion des Wissens auf der anderen Seite, sind aufgegriffen und ins öffentliche Bewusstsein gerückt worden. Dies hat einen positiven Effekt: Politik, Wirtschaft, Bildungsträger, Öffentlichkeit untersuchen diese o.g. abstrakten Begriffe auf ihre konkreten Inhalte und deren Operationalisierbarkeit.

 
 
Wir erleben in Deutschland z.B. einen Aufbruch in Sachen Nutzung der Informationstechnik und des Internet. Deutschland ist dabei, aus dem Mittelfeld in die europäische Spitze aufzurücken. Im August 1999 hat die Bundesregierung ein ehrgeiziges Programm "Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhundert" vorgelegt und Zielmarken für Deutschland definiert. Die Europäische Union hat dieses Vorgehen mit den Initiativen eEurope und eLearning aufgegriffen und hat ihrerseits europäische Ziele formuliert und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. 
Diese Politik zeigt Wirkung nicht nur hinsichtlich der Zahl der Online-Nutzer, die in den vergangenen zwei Jahren in der Bundesrepublik um ca. 300 % auf heute nahezu 20 Millionen gestiegen ist, sondern auch hinsichtlich der Integration der Neuen Medien in den Bildungsbereich. Drei Viertel aller deutschen Schulen sind mittlerweile ans Internet angeschlossen. Ziel ist es, bis Ende dieses Jahres alle Schulen am Netz zu haben. In einigen Bundesländern haben wir dies schon Ende des vergangenen Jahres erreicht. Die Länder haben ihre Anstrengungen im Bereich der Lehrerfortbildung verstärkt und die Wirtschaft hat im Rahmen der Initiative D 21 zwanzigtausend Schulpartnerschaften zugesagt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat zur Ertüchtigung der Bildungseinrichtungen auf allen Ebenen - Schule, Hochschule, berufliche Bildung - mit Programmen zum lebenslangen Lernen, zur Modernisierung der Berufschulen und zur Förderung von Lehr- und Lernsoftware weitere wichtige Akzente gesetzt.

 
 
Im Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hat die Förderung der Neuen Medien in der Bildung Priorität. Für die Jahre 2000 - 2004 sind dafür insgesamt etwa 1,4 Mrd. DM vorgesehen. Damit hat die jetzige Bundesregierung die Mittelansätze für diesen Bereich um insgesamt 1 Mrd. DM gesteigert. Einer der neuen Schwerpunkte ist die Entwicklung von Lehr- und Lernsoftware. Damit ist Deutschland das erste Land in Europa mit einer breit angelegten Initiative zur Entwicklung von Inhalten, die die Bereiche der beruflichen Bildung, der Schule und der Hochschule umfasst. Ziel ist es, Deutschland bis zum Jahr 2005 in eine Spitzenposition bei der Bildungssoftware zu bringen.

 
 


Mit diesen Maßnahmen und dem Engagement der Bundesregierung ist eine grundlegende Erweiterung der bisherigen Politik verbunden. In der Vergangenheit drehte sich die Diskussion zu den Neuen Medien in der Schule vor allem um die technische Infrastruktur, den Begriff der Medienkompetenz, verstanden als Kompetenz zur Bedienung von PC und Netzsoftware, und um das Internet als Quelle für weltweit verfügbare und aus aller Welt bereitgestellte Inhalte. Dazu ist folgendes anzumerken:

- Die Anbindung einer Schule an das Internet ist eine sinnvolle infrastrukturelle Maßnahme, mehr aber eben nicht.
- Die Bedienkompetenz für PC und Internet rechtfertigt nicht die Einführung der Neuen Medien in der Schule; denn auch die Informationstechnik wird einfacher, wird sich verbreiten und wird Alltag wie viele technische Neuerungen der Vergangenheit auch, ohne dass deren Bedienung in der Schule gelehrt worden wäre.
- Das Internet als inhaltliche Ressource für den Schulunterricht ist nur bedingt geeignet. Ich werde darauf noch zurückkommen.

 
 
Auch in Zukunft ist der Bildungsauftrag der Schule ein umfassender. Er erschöpft sich nicht in der Vermittlung technischer Fähigkeiten. Der Erwerb individuellen Wissens, die Entfaltung von Fähigkeiten und Kompetenzen, die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit - das sind die Aufgaben, die unsere Schulen leisten müssen, bzw. zu denen sie wesentlich beitragen sollten. Schülerinnen und Schüler sollen vor allem die Fähigkeit, das Interesse und die Bereitschaft entwickeln, lebenslang neues Wissen für sich zu erschließen, eine qualifizierte berufliche Ausbildung anzustreben und sich immer wieder beruflich weiter zu bilden. Sie sollen den schnellen technischen und gesellschaftlichen Wandel als Chance - nicht als Belastung erleben und empfinden. In einem solchen Rahmen kommt den Neuen Medien in zweierlei Hinsicht eine besondere Bedeutung zu. Zum einen sind sie heute schon in fast allen Fachbereichen und später auch im Beruf ein wichtiges Hilfsmittel, deren sinnvolle Nutzung von jedem Schulabgänger beherrscht werden muss und zum anderen erleichtern sie die Differenzierung des Marktes von Bildungsangeboten und den Zugang dazu.

 
 
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung sieht seine Aufgabe vor allem darin, gemeinsam mit den Ländern, den Schulträgern, der Wirtschaft und den Eltern ein Gesamtkonzept für eine sinnvolle Nutzung der Neuen Medien in der Schule zu entwickeln. Wir gehen dabei von einigen Grundthesen aus:

- Wir brauchen mehr als die Ausstattung einiger weniger Computerräume an den Schulen, wir brauchen die Verfügbarkeit von Computern für Schülerinnen und Schüler immer dann und dort, wo sie zu didaktisch sinnvollem Einsatz kommen: Also in der Schule und zu Hause. Medienbrüche sollten so vermieden werden.
- Computer müssen in der Schule vernetzt werden, damit der Zugang zu Lehr- und Lernsoftware und zu Hintergrundmaterial gewährleistet ist und kooperatives Lernen möglich wird.
- Die öffentliche Hand allein kann den erforderlichen Investitionsaufwand zur Ausstattung der Schulen mit IT-Hardware und Software nicht leisten. Wir brauchen daher die Unterstützung durch Sponsoren, z.B. die Wirtschaft, die Bereitschaft der Eltern zur Mitfinanzierung und begleitende Maßnahmen von Bund und Ländern, die soziale Härten vermeiden helfen.
- Wir brauchen qualitativ hochwertige Lernsoftware, damit der Mehrwert, den die Neuen Medien für das Lernen versprechen, auch deutlich wird.

 
 
Um zu Konzepten für die beispielhafte Ausstattung und Vernetzung von Schulen zu kommen, wollen wir noch in diesem Jahr Pilotprojekte starten. Was die Inhalte angeht, so ist das neue Förderprogramm inzwischen angelaufen. Die ersten Ausschreibungsrunden für die Teilprogramme "berufliche Bildung" und "Hochschule" sind abgeschlossen. Das Interesse geht über die durchaus optimistischen Erwartungen hinaus. Erste Fördermaßnahmen sind begonnen worden. Auf die erste Ausschreibung im Teilbereich "Schule" sind über 200 Projektvorschläge eingegangen. Dies dokumentiert nicht nur ein reges Interesse, sondern auch die Bereitschaft der Firmen in die Produktion von Lernsoftware zu investieren. Schließlich müssen die Antragsteller bei Förderung 50 % der vorwettbewerblichen Entwicklungskosten selbst übernehmen.

 
 
Wir werden die Einführung der Neuen Medien in den Schulalltag jedoch nicht schaffen, wenn es nicht gelingt, die Lehrer und Lehrerinnen für diesen Prozess zu gewinnen. Nicht ohne Grunde kritisieren neueren Untersuchungen zufolge die Lehrkräfte und Lehramtsanwärter, nur unzureichend auf den Unterricht mit Neuen Medien vorbereitet zu sein. Es fehlen pädagogisch-didaktische Konzepte und es fehlen eben die geeigneten Inhalte. Dieses Defizit lässt sich auch nicht mit dem Internet kompensieren; denn das Internet ist für Lernzwecke in der Schule in mehrerlei Hinsicht problematisch. Das Internet liefert nämlich
- keine Wissensstrukturen - alle Informationen haben gleichen Rang und Wertigkeit.
- keine Zusammenhänge - die Beliebigkeit der Inhalte verhindert die Darstellung und Vermittlung komplexer Sachverhalte, dies erschwert die Beurteilung der Qualität der Informationen;
- und das Internet fördert nicht die Systematik und Konzentration; denn es verführt wie die Fernbedienung beim Fernseher zum Zappen, d.h. zum Springen auf immer neue Informationsangebote.

 
 
Außerdem gilt es in einem globalen Netz, den Zusammenhang von Content und Kontext herzustellen; denn der Verlust von Kontext verändert und entwertet vielfach den Content. Diese kurzen Bemerkungen sollen deutlich gemacht haben, wie wichtig das Förderprogramm Neue Medien in der Bildung für die Einführung der Neuen Medien in den Schulunterricht ist. Wir brauchen in der Schule Bildungsangebote, die den Schülern und Schülerinnen eine Ordnung des Wissens anbieten, die eine Lernökonomie unterstützen und Qualität, Authentizität sowie Dauerhaftigkeit garantieren. Für die Informationssuche und die Erschließung von Wissen sind technische Hilfsmittel zu erwarten. Die inhaltliche Qualitätssicherung wird jedoch nach den bisherigen Mustern bezogen auf Fachbereiche, auf Nutzungszusammenhänge und auf Nutzergruppen gelöst werden müssen, weil eine allgemeine Strategie der Qualitätssicherung schon aus Gründen der damit verbundenen Wertefragen scheitern muss.

 
 
So wundert es denn auch nicht, dass sich unter den Trägern des Deutschen Bildungssoftware-Preises digita mit der Stiftung Lesen und dem Verlag Bild der Wissenschaft zwei Einrichtungen befinden, die ihre Kernaktivitäten im Bereich der Printmedien haben, die auf eine lange Tradition der Qualitätssicherung zurückblicken können. Der digita -Wettbewerb hat sich seinen festen Platz im Bereich der Lernmedien geschaffen. Man muss kein Prophet sein, um ihm auch für die Zukunft eine gute Konjunktur voraussagen zu können. Das Förderprogramm des BMBF Neue Medien in der Bildung wird diesem Wettbewerb zusätzlichen Aufwind geben. Dies ist durchaus in unserem Interesse. Das BMBF ist angetreten, einen Markt für qualitativ hochwerte Lernsoftware zu stimulieren und dazu brauchen wir Instrumente der Qualitätskontrolle, wie z.B. digita.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

 
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